Lina Carstens

Energische, humorvolle und skeptische Großmutter von jedermann, kam Lina Carstens (1892-1978) 1922 zum Film, aber erst Detlef Sierck (= Douglas Sirk) gab ihr 1934 in "April, April" die Hauptrolle einer Bäckersfrau, nahm sie ins Ensemble des Heimatfilms "Das Mädchen vom Moorhof" (1935) auf und besetzte sie in "Zu neuen Ufern" (1937) als Bänkelsängerin. Mit ihrer imposanten Erscheinung spielte sie, darin Adele Sandrock ähnlich, aber ohne deren herrische Attitüde, in zahlreichen Filmen Frauen, die ihre Nase in alles stecken, also Haushälterinnen, Krankenschwestern, Rentnerinnen, Großmütter und Mütter, Wirtinnen und Vermieterinnen, die mit herzlichem Charme ihre Interessen durchzusetzen vermögen. Ihre leicht brüchige Stimme nahm der Hartnäckigkeit die Schärfe, dem Egoismus den Stachel und dem Trotz die Widerborstigkeit. Im hohen Alter wurde Carstens in "Lina Braake" (1974) in der Rolle der schlitzohrig verschmitzten Rentnerin, die unter der Maske der Betulichkeit mit der immer präsenten Handtasche und mit ihrem cleveren Partner Fritz Rasp eine Bank reinlegt, noch ein Mal populär, schrieb sich in die Filmgeschichte ein und war dem Neuen Deutschen Film mit Nebenrollen in "Berlinger" und "Der Schimmelreiter" verbunden. Lina Carstens wurde in Wiesbaden geboren, besuchte wie Ruth Drexel eine Höhere Mädchenschule und nahm Schauspielunterricht in ihrer Heimatstadt. Dem ersten Engagement 1911 in Karlsruhe folgten Auftritte auf Bühnen von Leipzig, München, Berlin und Koblenz, wo sie 1945 die erste "Mutter Courage" auf einer deutschen Bühne spielte. Im Fernsehen hatte sie seit den 60er-Jahren in Serienkrimis mitgewirkt. Carstens wurde 1939 zur Staatsschauspielerin ernannt, erhielt 1972 für ihr langjähriges Wirken im deutschen Film das Filmband in Gold und 1975 das Filmband in Gold für "Lina Braake". Sie war mit dem Sachbuchautor Otto Ernst Sutter verheiratet und starb in München.