Paulus Manker
Geboren in Österreich
Genialisch wuchtiges Multitalent der österreichischen Kulturszene, Provokateur und Enfant terrible, wurde Paulus Manker in der Tradition von Helmut Qualtinger als Schauspieler und als Regisseur mit innovativen Theater- und Spielfilmarbeiten ein Begriff. Als Schauspieler liebt der schwergewichtige Mime Extremcharaktere, die in der Figur des Quartalssäufers und Gelegenheitsdichters Franz Kallmann in Michael Glawoggers "Slumming" (2006) kulminieren, wo er im Alkoholdelirium von zwei Yuppies in der Tschechei ausgesetzt wird und eine abenteuerliche Odyssee zurück nach Wien erlebt. Als Regisseur experimentiert Manker mit Psycho-Schockern ("Schmutz", "Weiningers Nacht") und bindet Zuschauer in seine aggressiven multimedialen Theaterstücke mit ein. Mankers Generalthema ist der schleichende Wahnsinn einer Gesellschaft, der er einen Zerrspiegel vorhält.
Paulus Manker wurde 1958 in Wien als Sohn des Regisseurs Gustav Manker und der Schauspielerin Hilde Sochor geboren, der er 2004 den Dokumentarfilm "Die Seele brennt heut wieder sehr" widmete. Nach dem Schauspielstudium am Max-Reinhardt-Seminar, wo die Volksschauspielerin Susi Nicoletti seine Lehrerin war, begann in den frühen 80er-Jahren seine Theaterkarriere, die ihn mit klassischen und modernen Rollen ins Wiener Burgtheater, Münchner Residenztheater, Hamburger Schauspielhaus, Schauspielhaus Frankfurt und Hamburger Thalia-Theater zu Regisseuren wie Peter Zadek, Claus Peymann und Luc Bondy führte.
Eine intensive Zusammenarbeit verbindet Manker als Theaterregisseur mit dem israelischen Autor Joshua Sobol, mit dem 1995 "Grottenbahnfahrt ins Grauen" (über Hans Frank, Generalgouverneur von Polen im Weltkrieg), 1996 "Alma" (50 Szenen an mehreren Schauplätzen über Alma Mahler-Werfel), 2000 "F@lco - A Cyber Show" (über den Rocksänger Falco) und 2003 in Tel Aviv "iWitness" (über israelische Kriegsdienstverweigerer) entstanden.
Als Filmregisseur debütierte Manker 1985 mit "Schmutz", eine böse Satire über das Berufsbeamtentum, das mit dem Selbstmord des eine Fabrik bewachenden Titelhelden endet. Zum Durchbruch wurde "Weiningers Nacht" (1989), wo Manker selbst als Genie gegen die Zeit in einem dramatischen Monolog den von Joshua Sobol geschaffenen Titelhelden Otto Weininger spielt, ein antisemitischer frauenhassender Jude, der sich 1903 in Beethovens Geburtshaus eine Kugel in den Kopf schoss. Manker verkörperte Weininger auch in dem ungarischen Spielfilm "Mein zwanzigstes Jahrhundert" (1989). Dem Multi-Media-Spektakel "Das Auge des Taifun"(1992) mit einer Performance der Punk-Band Einstürzende Neubauten in einem Schneesturm auf der Wiener Ringstraße, folgte 1995 "Der Kopf des Mohren", die Geschichte eines Diplomphysikers (Theaterstar Gert Voss), der aus dem Regelkreis der hoch technisierten Gesellschaft fällt und wahnsinnig wird. Die auf der Bühne erprobte Geschichte um Alma Mahler-Werfel setzte Manker 1999 in der TV-Mini-Serie "Alma - Show biz ans Ende" um; er spielt den Maler Oskar Kokoschka.
Als Schauspieler debütierte Manker 1979 in Michael Hanekes "Lemming" (TV) und spielte unter Haneke in "Code inconnu" und "Das Schloss". Das Projekt, Elfriede Jelineks Roman "Die Klavierspielerin" zu inszenieren, zerschlug sich, Haneke übernahm die Regie. Manker war in Josef Vilsmaiers "Schlafes Bruder", Pepe Danquarts Gaunerkomödie "C(r)ook - Basta. Rotwein oder Totsein", Carlo Rolas TV-Thriller "Die schöne Braut trug schwarz" (mit Iris Berben), als Vater des Mörders von Walter Sedlmayr (Jürgen Tarrach) in Jo Baiers "Wambo" und als Kardinal im tschechischen Film "König der Diebe" von Ivan Fila (2004) zu sehen.
Einige von Mankers Projekten und Filmen sind in Buchform ("Weiningers Nacht") dokumentiert; er schreibt kulturkritische Essays.
Für "Schmutz" wurde Manker mit dem Regiepreis des Filmfestivals Flandern und für "Der Kopf des Mohren" mit dem Interfilm-Preis des Max Ophüls Festivals ausgezeichnet.